Cannabis-Reform in Deutschland: So könnte Tilray profitieren

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Schon in wenigen Wochen könnte es so weit sein. Sie werden es schon ahnen: Es geht um die teilweise Legalisierung von Cannabis als Genussmittel in Deutschland. Kürzlich hat das neue Cannabisgesetz der Ampel-Regierung den Bundestag passiert und muss nun noch durch den Bundesrat. Experten erwarten dort teils erheblichen Widerstand, was eine Verzögerung oder gar einzelne Änderungen im Gesetzestext bewirken könnte.

Was viele allerdings nicht auf dem Schirm haben. Die Cannabisreform bezieht sich nicht nur auf „Freizeitgras“, sondern auch auf den medizinisch genutzten Stoff. Im Mittelpunkt steht das bereits existierende Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG), das seit 2017 den Einsatz der Droge als Therapiestoff regelt – etwa bei der Behandlung von Schmerzen, Schlaflosigkeit oder depressiven Verstimmungen.

Deutschland: Große Cannabisakteure zücken Medizin-Joker

Aber was hat das Ganze jetzt mit Ihnen als Anleger zu tun? Nun, ganz einfach: Ursprünglich hatte die Cannabisbranche auf eine weitreichende Legalisierung in Deutschland gehofft, also eine Freigabe von „Freizeitgras“ für den Einzelhandel. In der Folge hätten die großen Cannabiskonzerne, die bereits in Deutschland aktiv sind, die Droge im großen Stile produzieren und sie etwa an Coffee-Shops verkaufen können. Doch bekanntermaßen musste die Bundesregierung diese Pläne wegen der scharfen EU-Regularien über Bord werfen und will nun lediglich Cannabis im Eigenanbau sowie den Anbau im Rahmen sogenannter Cannabis-Clubs erlauben. Die großen Hersteller sind bei diesem Konzept im Prinzip außen vor.

Entsprechend konzentrieren sich die Akteure nun voll und ganz auf das Medizinalcannabis. Tatsächlich bieten die geplanten Änderungen des MedCanG für die Branche Wachstumspotenzial, auch wenn diese eher punktuell ausfallen. Mit von der Partie: der US-Konzern Tilray. Tilray ist eines von wenigen Unternehmen, das in Deutschland bereits jetzt Cannabis anbauen darf. An dem Standort in Neumünster züchten und ernten die Amerikaner seit einigen Jahren Blüten und verkaufen diese über einen gesetzlichen Zwischenhändler, die staatliche Cannabisagentur, an hiesige Apotheken.

Reform für Medizinalcannabis: Tilray sieht Milliardenpotenzial

Nun hat das Management von Tilray eine Prognose veröffentlicht, die es in sich hat. Demnach erwarten die Amerikaner, dass die geplanten Änderungen am MedCanG allein in Deutschland ein zusätzliches Umsatzpotenzial von 3 Milliarden USD generieren würden. Für den notorisch kriselnden Konzern und dessen Aktionäre wäre das sicherlich ein erfreulicher Schub. Im Folgenden sehen Sie die Umsatz- und Gewinnentwicklung von Tilray:

Quelle: www.aktienscreener.com

Im Geschäftsjahr 2023 (per Ende Mai 2023) hatte das Unternehmen wegen negativer Wechselkurseffekte nicht nur einen (leichten) Umsatzrückgang hinnehmen müssen, sondern unterm Strich auch einen Milliardenverlust, der vor allem durch Wertminderungen bedingt war. Immerhin: Operativ (EBITDA) war Tilray in den 12 Monaten bis Ende Mai 2023 profitabel. Und in der zweiten Jahreshälfte 2023 konnte das Unternehmen die Umsätze wieder steigern und die Nettoverluste in Grenzen halten – wohl auch durch die Erfolge im Alkohol-Geschäft. Tilray hat in den letzten Jahren vor allem in den USA einige Craft-Bier-Brauereien gekauft, um das regulatorische Risiko rund um Cannabis zu kompensieren.

MedCanG: Was soll geändert werden?

Aber was erhofft sich Tilray denn nun konkret vom Geschäft in Deutschland? Sollte die Änderungen am MedCanG in Kraft treten, wäre medizinisches Cannabis rechtlich kein Betäubungsmittel mehr. Ärzte könnten den Stoff somit über ein reguläres Rezept verschreiben. Dadurch entfällt für die Praxen ein bürokratischer Mehraufwand, was im Endeffekt eine häufigere Verschreibung begünstigen könnte.

Gleichzeitig soll die Cannabisagentur als Zwischenhändler entfallen. Heißt: Hersteller von Medizinalcannabis können ihre Ernte künftig selbst vermarkten und weitervertreiben. Allerdings unterliegen diese Geschäfte weiterhin der strengen Überwachung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie verschiedene Landesbehörden.

Nicht zuletzt sollen die europaweiten Ausschreibungen für neue Produktionskapazitäten entfallen und durch ein Lizenzverfahren ersetzt werden. Damit sollen die heimische Produktion gestärkt und die Genehmigungsprozesse erheblich beschleunigt werden. Tilray als schon etablierter und legaler Züchter in Deutschland würde davon wohl profitieren. Das Unternehmen erwartet dadurch eine Produktionssteigerung in der Bundesrepublik um das Fünffache und eine Verdopplung des Umsatzes. Hinzu kommt, dass Tilray neben der Produktion auch bereits eine große Vertriebsplattform hierzulande betreibt, an die mehr als 13.000 Apotheken, Großhändler und Distributoren angeschlossen sind.

Mein Fazit für Sie

Die neuen Cannabis-Regularien könnten Konzernen wie Tilray also auf die Sprünge helfen, sollten sie denn tatsächlich in Kraft treten – und das obwohl in Deutschland zunächst keine weitreichende Legalisierung als Genussmittel geplant ist. Als Anleger sollten Sie die Cannabis-Aktien meiner Meinung nach trotzdem mit Vorsicht genießen. Das regulatorische Umfeld ist und bleibt höchst volatil. So könnte eine künftige Bundesregierung etwa unter Führung der CDU versuchen, die Reformen auch im Medizinbereich wieder zu kippen. Eben diese Risiken, die sich freilich auch in anderen Märkten weltweit ergeben, sollten Sie stets einkalkulieren.

Die Tilray-Aktie jedenfalls ist bis dato ein Trauerspiel gewesen. Seit dem Börsengang 2018 hat das Papier unterm Strich mehr als 95 % seines Werts eingebüßt.