Mietendeckel gekippt: Vonovia und Deutsche Wohnen im Plus

Inhaltsverzeichnis

Es war von Anfang an ein umstrittener Alleingang, nun hat das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel kassiert. Der Beschluss fiel einstimmig – und doch muss man in der Bewertung des Urteilsspruchs die Details beachten.

Tatsächlich haben die Verfassungsrichter nicht über die Vereinbarkeit eines Mietendeckels mit dem Grundgesetz entschieden, die Sachfrage bleibt unangetastet. Vielmehr verweist der jetzige Beschluss auf das Kompetenzgefüge von Bund und Ländern: So ist für das Mietrecht grundsätzlich der Bund zuständig, Berlin hätte den Mietendeckel also selbst nicht beschließen dürfen, so die Auffassung der Verfassungsrichter.

Wird der Bund aktiv?

Ein erneuter, womöglich sogar bundesweit greifender Mietendeckelbeschluss ist somit keineswegs ausgeschlossen. Konzepte hierzu liegen seit Langem vor, nur müsste eben der Bund aktiv werden und entweder selbst ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen oder aber die Kompetenz hierzu explizit auf die Länder übertragen, damit diese jeweils eigene Regeln definieren und umsetzen können.

Allerdings ist im verbleibenden Verlauf der Legislaturperiode wohl nicht mehr mit einer entsprechenden Initiative der Bundesregierung zu rechnen. Zwar sympathisiert die SPD mit einer solchen Idee, doch die Union steht dem Mietendeckel generell skeptisch bis ablehnend gegenüber. Ohnehin ist man dort gerade mit eigenen Personalfragen befasst und ansonsten durch die Pandemie ausgelastet.

Wohnen wird wohl zum Wahlkampfthema

Das Thema könnte aufgrund seiner gesellschaftlichen Brisanz und der zugrundeliegenden hochpolitischen Grundfrage im anlaufenden Bundestagswahlkampf an Relevanz gewinnen, sodass – je nach Regierungskonstellation – eine Umsetzung in der folgenden Legislaturperiode denkbar erscheint.

Im Kern geht es um die Frage, ob der Mietendeckel eher Nutzen oder Schaden anrichtet. Die SPD sowie Mieterverbände, aber auch Grüne und Linke verweisen auf Wohnen als essenzielle Lebensgrundlage. Immobilien- und Mietpreise sind in den vergangenen Jahren extrem angestiegen, dies gilt insbesondere für die Ballungsräume in und rund um die großen Metropolen des Landes wie beispielsweise Berlin, Hamburg, München, Frankfurt oder die Rheinschiene rund um Köln.

Andere Parteien, insbesondere Union und FDP, plädieren hingegen für weniger Marktregulierung, um privaten Investoren die Lust am Immobilienmarkt nicht zu verleiden. Angesichts der allgemeinen Wohnungsnot in den Großstädten sei man auf die privaten Geldgeber angewiesen, um Neubauprojekte zügig voranzutreiben, so die Argumentation.

Mietendeckel sollte Wohngefälle abfedern

Allerdings verschärft sich bereits seit Jahren das Gefälle am Wohnungsmarkt: Es gibt zu wenig Sozialwohnungen, dafür entstehen immer mehr hochpreisige Neubauten. Beides begünstigt die Verknappung von Wohnraumangebot bei steigender Nachfrage nach günstigen Angeboten – und treibt den Preis weiter in die Höhe.

Der Berliner Mietendeckel hatte vorgesehen, bestehende Mieten auf dem Niveau eines Stichtags im Jahr 2019 einzufrieren, sodass diese für mehrere Jahre nicht oder nur moderat angehoben werden dürfen. Zudem wurde eine Obergrenze definiert, die um maximal 20 Prozent überschritten werden durfte. Damit war das Konzept eine Verschärfung der bundesweiten Mietpreisbremse, die sich bislang als insgesamt eher wenig wirksam im Wohnungskampf erwiesen hat.

Tausenden Mietern drohen hohe Nachzahlungen: Berlin plant Härtefallfonds

Der Berliner Beschluss machte sich für die Mieter der Hauptstadt umgehend bemerkbar. Zigtausende Mietverträge mussten angepasst werden, die Mieten gingen teils spürbar zurück. Das droht sich nun zu rächen: Basierend auf dem nun gefällten Urteil des Bundesverfassungsgerichts können Vermieter Nachzahlungen einfordern.

Mieter, die Wohnungen der öffentlichen Hand oder von Sozialträgern bewohnen, müssen sich darüber offenbar keine Sorgen machen. Auch der Wohnkonzern Vonovia verkündete, keine Nachforderungen erheben zu wollen.

Wie jedoch die zahlreichen privaten Vermieter auf das Urteil reagieren werden, bleibt jedem selbst überlassen. Damit Mieter, die etwaige Nachforderungen nicht begleichen können, nicht auf der Straße landen, hat das Land Berlin nun angekündigt, einen Härtefallfonds einzurichten, der voraussichtlich einen zweistelligen Millionenbetrag umfassen soll – ein  teures Experiment für eine ohnehin hoch verschuldete Stadt, aber „dit is Berlin“, wie die Hauptstädter zu sagen pflegen.

Vonovia Aktie profitiert – auch Deutsche Wohnen stark im Plus

Anleger reagierten trotz des angekündigten Verzichts auf Nachzahlungsforderungen erleichtert auf das Urteil: Die Vonovia Aktie legte nach Bekanntwerden des Urteils kurzzeitig kräftig zu, ging jedoch mit einem eher moderaten Plus aus dem gestrigen Handel.

Deutlich aufwärts ging es auch für den Konkurrenten Deutsche Wohnen, dessen Aktien nicht zuletzt im Fahrwasser des gestrigen Spruchs der Verfassungsrichter auf Wochensicht um rund 9 Prozentpunkte zulegen konnten.

Nachdem sich wegen der Verunsicherung um den Mietendeckel der Mietenanstieg insgesamt verlangsamt hatte, rechnen Experten nun mit deutlicher steigenden Wohnkosten. Eine solche Entwicklung ist jedoch nicht unbedingt von Dauer – je nachdem, wie sich die Machtverhältnisse nach der Bundestagswahl gestalten, könnte eine entsprechende Regelung von der nächsten Regierung doch noch auf den Weg gebracht werden.