Adieu, Börse: PSI setzt auf den Private-Equity-Turbo
Die geplante Übernahme des Berliner Softwarehauses PSI Software durch den US-Finanzinvestor Warburg Pincus ist mehr als nur eine trockene Transaktion; sie ist ein Lehrstück über den Wert von Industrie-Know-how in der digitalen Welt. Für rund 700 Millionen Euro soll der Spezialist für Energiemanagement und Prozessoptimierung von der Börse genommen werden – ein Deal, der Aktionären eine satte Prämie verspricht, aber auch die Frage aufwirft: Was hat Warburg Pincus mit der deutschen Tech-Perle vor?
PSI: Software mit System und Substanz
PSI Software ist kein hipper KI-Start-up-Name, sondern ein solider Industriesoftware-Pionier mit Geschichte. Seit über 50 Jahren entwickelt das Unternehmen komplexe Steuerungs- und Optimierungslösungen für Energieversorger, Netzbetreiber und Industrieunternehmen. Die Software sorgt dafür, dass Stromnetze stabil bleiben, Produktionsprozesse effizient laufen und Lieferketten nicht reißen.
Im Kern baut PSI darauf, kritische Infrastrukturen digital zu orchestrieren – vom Energiemanagement über Gasnetzsteuerung bis zur Produktionsplanung bei Autobauern. Ein Geschäft mit hohen Eintrittsbarrieren, treuen Kunden und planbaren Erlösen – aber auch mit begrenztem organischen Wachstumspotenzial. Genau hier wittert Warburg Pincus seine Chance.
Warburg Pincus: Globaler Player mit strategischem Plan
Der US-Investor zählt zu den ältesten und renommiertesten Private-Equity-Häusern der Welt. Rund 80 Milliarden Dollar verwaltet Warburg Pincus, und die Expertise im Technologiesektor ist ausgeprägt. Ziel ist es meist, solide, aber etwas „eingeschlafene“ Mittelständler zu modernisieren, international zu skalieren und digital zu transformieren.
Mit PSI könnte Warburg Pincus nun einen verborgenen Schatz im deutschen Softwaremarkt heben. Denn die Produkte des Unternehmens sind technisch exzellent – nur mangelt es an internationaler Schlagkraft und Marketing-Power. Das lässt sich mit Kapital, Managementexpertise und globalem Netzwerk durchaus ändern.
Hintergründe der Übernahme: Warum jetzt, warum diese Truppe?
Der Druck auf energiebezogene Softwarefirmen steigt – Cyberangriffe, regulatorische Herausforderungen und der enorme Anpassungsbedarf der Energiewelt verlangen nach innovativen Lösungen. PSI selbst kämpfte 2024 mit den Folgen eines Cyberangriffs, der das Unternehmen wochenlang lahmgelege. Die Folge: PSI rutschte unter dem Strich sogar in die roten Zahlen: Vor Zinsen und Steuern lag der Verlust bei 15,2 Mill. Euro. Für dieses Jahr ist allerdings die Rückkehr auf den Wachstumspfad und in die Gewinnzone geplant.
Der Kaufpreis: Satter Aufschlag für die Anleger
Der Deal sieht vor, PSI für 45 Euro je Aktie an Warburg Pincus zu verkaufen – ein Aufschlag von über 80% gegenüber dem Kurs vor den Übernahmespekulationen in der zurückliegenden Woche. Bezogen auf den gesamten Firmenwert wird PSI mit rund 700 Millionen Euro bewertet. Der Deal soll über eine Holdingstruktur abgewickelt werden, die PSI nach dem Vollzug wohl von der Börse nimmt. Damit könnte ein weiteres deutsches Tech-Unternehmen vom Parkett verschwinden, allerdings mit dem Potenzial, unter dem neuen Eigentümer agiler und wettbewerbsfähiger zu werden.
Großaktionär will weiter an Bord bleiben
Mindestens 50% der Aktien will Warburg Pincus im Rahmen des Deals übernehmen. Laut einer Presseerklärung sind 28,5% der Anteile bereits sicher. Unter anderem hat der größte Aktionär, der Medienunternehmer und Investor Norman Rentrop, seinen 23,1%-igen Anteil bereits zugesichert. Der zweitgrößte Aktionär und einer der wichtigsten PSI-Kunden, der Energie-Gigant Eon (Anm.: hält 17,8% aller Anteile), will hingegen auch nach einer Übernahme als Aktionär von PSI mit an Bord bleiben.
Perspektiven: Chancen für Anleger und das Unternehmen
Für die PSI-Aktionäre bedeutet das Angebot zunächst einen schönen Kursgewinn. Langfristig aber stellt sich die Frage, ob der Rückzug von der Börse wirklich die beste Lösung ist. Denn mit der Energiewende, der zunehmenden Digitalisierung der Netzinfrastruktur und dem steigenden Bedarf an Netzstabilität steht PSI eigentlich vor einem strukturellen Rückenwind.
Unter dem Dach von Warburg Pincus könnten neue Märkte – etwa Nordamerika oder Asien – erschlossen und Investitionen in Cloud-Architekturen forciert werden. Sollte es gelingen, die Effizienz der Software zu skalieren und das Geschäftsmodell stärker auf wiederkehrende Lizenzeinnahmen auszurichten, könnte PSI in einigen Jahren als deutlich wertvolleres Unternehmen wieder auftauchen – womöglich sogar an der Börse.