Der gläserne Mensch wird immer mehr zur Realität

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Die EU-Kommission und die Bundesregierung wollen Bargeldzahlungen einschränken, um Schwarzarbeit und organisierte Kriminalität zu erschweren. Sicherheits- und Datenschutzaspekte werden stark zunehmend von Gesellschaft, Unternehmen und auch der Politik adressiert. In der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) befassen sich eine Vielzahl von Fachbereichen mit diesen Themen. Der GI-Präsidiumsarbeitskreis „Datenschutz und IT-Sicherheit” mahnt in diesem Zusammenhang, dass das Zurückdrängen des Bargeldes zulasten von Privatsphäre, Sicherheit und Freiheit gehen kann.

Mit großem Engagement treibt die Europäische Zentralbank (EZB) die Einführung eines digitalen Euros voran. Derzeit testet sie verschiedene Ansätze und Technologien zur Bereitstellung einer digitalen Währung, darunter auch zentralisierte und dezentralisierte Lösungen wie die Distributed Ledger Technology, auf der auch der Bitcoin basiert. Nach Plänen der Europäischen Kommission sollen zudem Rechnungen grundsätzlich nur noch bis zu 10.000 Euro in bar bezahlt werden dürfen, um Geldwäsche, organisierte Kriminalität und Terrorismus zu bekämpfen. Nun hat auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser angekündigt, diese Obergrenze für Bargeldauszahlungen in Deutschland einzuführen.

Der gläserne Mensch verliert Privatsphäre und Selbstbestimmung

Prof. Dr. Hartmut Pohl, Sprecher des Präsidiumsarbeitskreises „Datenschutz und IT-Sicherheit“ der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) sieht die von Bundesregierung und EU-Institutionen geplante Einschränkung des Bargeldverkehrs äußerst kritisch. Bargeldobergrenzen, Pläne zur Einführung einer rein digitalen Währung und eine etwaige Abschaffung von Bargeld haben weitreichende Folgen für die informationelle Selbstbestimmung und die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger.

Sie bergen die große Gefahr, aus jeder und jedem den sprichwörtlichen „gläsernen Menschen“ zu machen. Zudem weisen rein digitale Währungen enorme Sicherheitsrisiken auf. Wie digitale Währungen grundrechtskonform gestaltet werden können, ist ein dramatisch unterbeforschtes Themenfeld. Abgesehen davon ist bis heute unklar, ob durch eine bargeldlose Welt organisierter Kriminalität und Terrorismus tatsächlich beizukommen ist.

Privatsphäre und Datenschutz müssen gewahrt bleiben

Der GI-Präsidiumsarbeitskreis warnt: Die geplante Begrenzung des Bargeldverkehrs – und noch vielmehr die Einführung einer digitalen Währung, die anstelle des Bargelds treten kann – greife einerseits massiv in die informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ein und andererseits in das in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der EU-Grundrechtecharta garantierte Recht auf Privatsphäre. Je mehr Zahlungen bargeldlos durchgeführt werden oder in einer digitalen Währung erfolgen, desto mehr Möglichkeiten zur Überwachung der Bürgerinnen und Bürger ergeben sich.

Bei der ebenfalls diskutierten Abschaffung des Bargelds schließlich wird das komplette wirtschaftliche Agieren jeder und jedes Einzelnen lückenlos und personenbezogen nachvollziehbar. So können digitale Finanzstrukturen entstehen, die dem Europäischen Freiheitsverständnis zuwiderlaufen.

Sicherheit und Resilienz des Geldsystems sind schützenswerte Güter

In einem rein digitalen Zahlungssystem sieht der GI-Präsidiumsarbeitskreis zudem Gefahren für Sicherheit und Resilienz unserer Wirtschaftsordnung: Es ist zwar zu begrüßen, dass der elektronische Zahlungsverkehr nicht den internationalen Finanz- und Technologieunternehmen überlassen werde. Derzeit ist allerdings noch nicht absehbar, ob die Sicherheit digitaler Währungen hinreichend garantiert werden kann und die dafür erforderliche Technologiebeherrschung insbesondere gegenüber Angriffen Dritter – beispielsweis durch organisierte Kriminalität, Terrorismus oder Cyberkriminalität – ausreichend gegeben ist.

Zudem würden rein digitale Zahlungssysteme und Währungen Begehrlichkeiten bei den Sicherheitsbehörden nach Zugriff auf die Transaktionsdaten wecken. Auch die Ausfallrisiken im Katastrophenfall oder bei Stromausfall würden steigen. Allein Bargeld bietet demnach eine gewisse Resilienz in Krisensituationen.

Der Präsidiumsarbeitskreis hatte bereits 2016 gefordert, die Entwicklung sicherer, zuverlässiger und datenschutzkonformer elektronischer Zahlungssysteme zu stärken und insbesondere die Forschung bezüglich anonymen elektronischen Geldes zu intensivieren. Dabei müssten bürgerliche Freiheitsrechte gewahrt und Anforderungen zum Schutz der Privatsphäre erfüllt werden.

Potenzial und Payment-Funktionalitäten von Kryptowährungen werden derzeit noch unterschätzt!

Unser Geld hat drei grundlegende Funktionalitäten: Der Einsatz als Zahlungsmittel, als Recheneinheit für die Bewertung von Gütern, Produkten und Dienstleistungen, sowie als Wertaufbewahrungsmedium. Beim Bitcoin steht – vergleichbar mit Gold – für eine stark zunehmende Anzahl an Investoren, aufgrund der großen Probleme unseres inflationären Geldsystems, mittlerweile die Wertaufbewahrungsfunktionen an erster Stelle. Aber auch die Krypto-Zahlungsverkehrsfunktionen werden nicht nur beim Bitcoin weiter an Bedeutung gewinnen.

Die Nachfrage nach digitalen Zahlungsoptionen ist aktuell größer als jemals zuvor. Das Geldmonopol der Banken ist bereits gebrochen, da digitale Zahlungen und mobile Geldbörsen mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme sind. Klassische Banken und innovative Zahlungsdienstleister wie PayPal müssen neue Wege finden, um die Wünsche von Verbrauchern nach Benutzerfreundlichkeit und Schnelligkeit zu erfüllen. Kryptowährungen werden bargeldlosen Transaktionen weiter beschleunigen. In diesem Bereich ist es aussichtsreich, auch auf bereits etablierte Cryptocoins und deren Evolution für das Geldwesen zu setzen.