Wie Angst Sie zu schlechten Geldanlagen verleitet
Verlustangst ist bei der Geldanlage ein schlechter Berater. Das zeigt einmal mehr ein Fall aus meinem Bekanntenkreis, den ich Ihnen heute vorstellen möchte.
Es geht um ein gut situiertes Ehepaar im öffentlichen Dienst, beide knapp über 60 Jahre. Die Ehefrau hat gerade eine Immobilie geerbt und gut verkauft. Aus dem Erlös möchte sie 100.000 € anlegen und hat sich dafür von diversen Banken Angebote machen lassen. So auch von einer Raiffeisenbank, die ihr aufgrund ihrer Risikoaversion ein Produkt der Bayerischen Versicherungskammer empfahl.
Wertschutz-Zertifikat Plus: Die eierlegende Wollmilchsau?
Sicherheit und die Aussicht auf Börsenprofite – das wird versprochen. Das empfohlene „Wertschutz-Zertifikat Plus“ hat eine Laufzeit von 12 Jahren. Garantiert werden zum Laufzeitende 120.000 €, wie gesagt, bei Einzahlung von 100.000 € im Jahr 2025.
Zusätzlich wird die Performance des Zertifikats gebunden an die Wertentwicklung eines Welt-Aktienindex, der so ähnlich sein soll wie der MSCI World, nur sogar noch etwas nachhaltiger. Er heißt „Solactive VK Globale Aktien“. Ich habe davon noch nie gehört. Die Wertentwicklung des Index im Prospekt sieht klasse aus: 25,08 % kumuliert – allerdings, und das macht mich stutzig, erst seit Auflage am 11.04.2023, sprich erst seit gut 2 Jahren.
3 Szenarien stellt der Anbieter zur künftigen Wertentwicklung des Index auf: 7,5% pro Jahr, 5,5% pro Jahr oder 4,0% pro Jahr. Für seine Prognose wählt er das mittlere Szenario. Mit 5,5% Performance pro Jahr läge das Vermögen nach 12 Jahren bei 165.405 €.
Die Garantie bezieht sich allerdings nur auf das Laufzeitende. Will die Anlegerin ihr Geld schneller haben, muss sie mit dem vorliebnehmen, was bis zum jeweiligen Zeitpunkt angespart wurde. Weil so ein Index auch Verluste machen kann, ist die Garantie dann futsch. Gewährt wird sie allerdings, sollte sie während der Laufzeit versterben: Ihr Ehemann würde dann mindestens das eingezahlte Geld erhalten, und zwar sofort.
Und noch eines wird versprochen: Am Laufzeitende ist es wahlweise möglich, sich die angesparte Summe auf einen Schlag auszahlen zu lassen. Denkbar sei aber auch eine Auszahlung als lebenslange Rente. Die Höhe hängt ab vom Anlageergebnis. Garantiert sind demnach mindestens 266 €. Angesichts der prognostizierten Rendite von 5,5% pro Jahr sei aber eine monatliche Rente von 409 bis 609 € möglich. Das klingt super! Ist es aber nicht!
5 Argumente, warum Sie misstrauisch sein sollten
Folgende Punkte sind mir negativ aufgefallen:
Das Zertifikat finden Sie durch eine Google-Suche. Allerdings kriegen Sie die Einzelheiten nur gegen Preisgabe Ihrer Adresse als „persönliches Angebot“ unterbreitet. Das hat ein Mitglied meiner Redaktion probehalber gemacht. Sonst kenne ich diese Praxis nur von den dubiosen Angeboten des Grauen Kapitalmarkts. Nach Sichtung war mir auch klar, warum: Wenn der Anbieter solche Konditionen im Netz offenlegt, hagelt es von allen Seiten berechtigte Kritik an den Konditionen.
„Von der Börse profitieren bei höchster Sicherheit“ – das wird bei solchen Papieren zwar versprochen, aber es ist ein Märchen. Erfahrungsgemäß fressen Gebühren und Absicherungskosten die potenzielle indexgebundene Mehrrendite auf. Dass die Garantie nur zum Laufzeitende existiert, macht die Sache nicht besser.
Rechnen Sie mal die Zinsen nach, die für 12 Jahre gewährt werden, falls es nur bei der Garantie von 120.000 Euro beim Laufzeitende bleibt. Das sind (Zinseszins einbezogen) gerade einmal 1,531 % pro Jahr. Jedes Festgeldkonto bringt mehr!
Bei einem Zertifikat existiert stets ein Emittentenrisiko. Emittent ist Morgan Stanley Deutschland, die deutsche Tochter der US-Investmentbank. Geht sie (wie 2008 ihre einstige Konkurrentin Lehman Brothers) pleite, ist die Garantie futsch und das investierte Kapital größtenteils auch.
Die Intransparenz des Produktes macht mich ebenfalls stutzig: die Bindung an einen weithin unbekannten Index, die Auflegung als Zertifikat (statt als transparentes Zinskonto oder als Banksparplan). Und die Verpackung in einen Versicherungsmantel der Bayerischen Versicherungskammer. Erfahrungsgemäß dienen solche Konstruktionen dazu, die Kosten zu verstecken. Dieser Verdacht hat sich bestätigt, als wir uns die genauen Kosten nochmal aufschlüsseln ließen: Allein 5,5% Einmalkosten am Anfang (also 5.500 €), und laufende Effektivkosten von rund 1,22% pro Jahr. Wie da unterm Strich eine Rendite von 5,5% pro Jahr übrigbleiben soll, ist mir schleierhaft. Zumal nach Abzug der Einmalkosten gar nicht die vollen 100.000 € angelegt werden können, sondern nur 94.500 €. Aber es ist nicht verwunderlich: An dem Produkt verdienen wollen gleich 3 beteiligte Parteien: die Raiffeisenbank, die das Produkt verkauft, die Bayerische Versicherungskammer, die den Versicherungsmantel auflegt, und die Investmentbank Morgan Stanley Deutschland, die das Zertifikat emittiert.
Fazit: Eine gute Geldanlage sieht anders aus
Finger weg von Garantie- oder „Wertschutz“-Zertifikaten! Und Finger weg von Geldanlagen, die im Versicherungsmantel daherkommen! Produkte dieser Art sind oft nicht profitabel, da mögen die Prognosen noch so rosig aussehen!
Wer partout nicht an die Börse will, sollte Festgeld wählen. Da verlieren Sie nominal auf keinen Fall Geld, und Sie können sich bis zu 4 Jahren festlegen. Es gibt da keine versteckten Kosten und kein Emittentenrisiko: Die Einlagensicherung schützt das Guthaben auch bei einer Bankeninsolvenz.
Bei einem so langen Anlagezeitraum bevorzuge ich aber ein Börseninvestment. In 12 Jahren müssen Sie bei soliden Value-Investments keine Verluste mehr befürchten, schon gar nicht, wenn Sie das Geld in mehreren Tranchen anlegen. Bei Aktien, Aktienfonds oder Aktien-ETFs ist zudem ein Inflationsschutz eingebaut.
Falls Ihnen je ein reines Aktien-Portfolio zu riskant erscheint, können Sie immer noch einen Teil des Geldes in Zinspapiere packen oder auf ein Zinskonto legen. Das Ergebnis dürfte deutlich profitabler und sicherer sein als eine solche Geldanlage.