Föderalismus: Fluch und Segen in der Pandemie

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Mit dem Föderalismus ist es ja bekanntlich so eine Sache. Gelobt und gepriesen wird er vor allem von den Regierungen und Verwaltungsapparaten der 16 Bundesländer, die gerne betonen, wie flexibel und passgenau sie auf die regionalen Bedürfnisse vor Ort reagieren können. Immerhin herrschten an der Küste ganz andere Herausforderungen als in den Alpen, von den schier endlosen landwirtschaftlich genutzten Flächen dazwischen mal ganz zu schweigen.

Das Argument ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Doch wie immer gibt es auch in Sachen Föderalstaat eine Kehrseite der Medaille, die nicht zu vernachlässigen ist: Durch landesspezifische Regelungen entsteht nicht selten ein Flickenteppich, ein großes Durcheinander und Nebeneinander unterschiedlichster Verordnungen, die sich jäh verändern, sobald die unsichtbare Landesgrenze überschritten wird.

Besonders deutlich wird das regelmäßig im Bildungswesen, eines der letzten verbliebenen Hoheitsgebiete der Länder. Doch auch in der Corona-Krise zeigt sich der Effekt des Föderalismus: Berlin kann nicht einfach durchregieren. In vielen Einzelfragen ist man auf die Zustimmung und Umsetzung seitens der Länder angewiesen, in denen wiederum ganz unterschiedliche Koalitionsbündnisse die Regierungen stellen.

Bundeseinheitliche Lösungen? Ja, nein – oder dann doch?

Entsprechend heiß her geht es offenbar auch bei den Beratungen. Man kann sich das Chaos bildlich vorstellen, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel per Videoschalte mit den 16 Landesfürsten konferiert, um den Stand der Dinge und die daraus abzuleitenden Maßnahmen zu besprechen. Alle 14 Tage soll eine solche Fernkonferenz vorerst stattfinden.

Doch die vergangenen Wochen haben bereits deutlich gezeigt, wo der Schuh drückt. Auf der einen Seite unterscheiden sich die Bundesländer im Detail durchaus, was die Strenge der Auflagen, den Umfang der Kontrollen oder die Höhe der Bußgelder bei Verstößen betrifft. Auf der anderen Seite aber finden sie, mit einigen Tagen Verzögerung, doch erstaunlich häufig zu einem bundesweiten Einklang, wenn einzelne Länder einmal vorgeprescht sind – wobei es darauf anzukommen scheint, um welches Land es sich dabei handelt.

Fernduell der potenziellen Nachfolgekanzler

Besondere Beachtung finden dieser Tage die Herren Laschet und Söder, freilich nicht allein aufgrund ihrer Corona-Maßnahmen, sondern vor allem, weil sie für die Medien und die Öffentlichkeit besonders interessant sind – immerhin werden beide als potenzielle Merkel-Nachfolger gehandelt, die Machtfrage innerhalb der Union ist noch längst nicht entschieden, zumal die Herausforderer Merz und Röttgen mangels Staatsamt gerade wenig zu melden haben und in den Hintergrund rücken.

Darüber hinaus vertreten Laschet und Söder jedoch das bevölkerungsreichste sowie das wirtschaftsstärkste Bundesland, ihr Wort hat Gewicht. Im Gegensatz dazu können sich kleinere Länder häufig nicht durchsetzen. So hatte Schleswig-Holstein Ende März eigentlich angekündigt, die Abiturprüfungen für dieses Jahr abzusagen, musste schließlich aber zurückrudern, da die Prüfungen in allen anderen Ländern stattfinden sollten und man bemüht war, im Sinne einer besseren Vergleichbarkeit bundeseinheitliche Regelungen zu finden.

Maskenpflicht nun doch bundesweit – Kurzarbeitergeld steigt

Ähnlich gestaltet es sich mit der allgemeinen Maskenpflicht: Diese wurde bei der letzten Videokonferenz der Regierungschefs nicht beschlossen, stattdessen verständigte man sich auf eine dringende Empfehlung zum Tragen von Schutz- beziehungsweise Behelfsmasken zur Bedeckung von Mund und Nase im öffentlichen Raum, etwa im Personennahverkehr oder im Supermarkt.

Nach und nach verhängten die Landesregierungen dann allerdings doch die Pflicht, am Mittwoch zogen die letzten nach, ab der kommenden Woche gilt die Pflicht nun also bundesweit – wenn auch in föderal unterschiedlich nuanciertem Ausmaß.

Am Mittwochabend nun war aber auch der Bund mal wieder am Zug: Nach stundenlangen Verhandlungen einigte sich der Koalitionsausschuss der Bundesregierung unter anderem auf eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes. Dieses liegt bisher bei 60 Prozent des Normalgehalts für Alleinstehende und 67 Prozent für Arbeitnehmer mit Kindern. Künftig soll es, je nach Dauer der Zwangspause, gestaffelt angehoben werden können auf bis zu 80 beziehungsweise 87 Prozent.